Oberfläche & Oberflächlichkeit IV: Die zweidimensionale Stadt
Oberfläche & Oberflächlichkeit IV: Die zweidimensionale Stadt
Es geht hier auch um Homogenisierungen der städtischen Struktur, auf eine Weise, die sowohl die qualitative Beschaffenheit, sowie Dichte und Permeabilität der städtischen Oberfläche betrifft. Mit anderen Worten: Neben einem Projekt der Privatisierung von Stadträumen einerseits, und repräsentativer Entmenschung andererseits, werden hier Oberflächen geschaffen, die Menschen gewisser sozialer Schichten abstossen, andere aufnehmen soll. Die Menschen in bestimmte Bahnen lenkt oder sie gänzlich fernhält. Hierbei werden die zugewiesenen Flächen homogenisiert. Touristen hier, Einheimische dort, HartzIV-Säufer hier, reiche Müßiggänger dort, gehetzter Geschäftsmann hier, Service-Sklaven dort. Und so weiter und so fort. Dabei überschneiden sich soziale und geografische Randlagen zunehmend. Die reichen Eliten drängen in die Innenstadt, die unteren sozialen Schichten sollen in die Randlagen abgeschoben werden. Resultat ist eine vom (in Stadtverwaltungen leider zu oft gelesenen) amerikanischen Ökonom und Hobby-Soziologen Richard Florida ausgedachte Horrorvision von Stadt, in der, neben nostalgischen städtebaulichen Reinszenierungen, Schwule und Rockbands dabei behilflich sein sollen, ein investitions- und innovationsfreundliches Klima zu schaffen.
Das ist die eine Seite, die andere Seite ist, auf welche Weise Qualitäten städtischen Lebens vor dem ausgeblendeten Hintergrund der Vertreibung inszeniert werden können. Gerade in der Logik des City-Marketings, des City-Brandings, des Tourismus-Managements und City-Rankings, werden im städtischen Wettbewerb bestimmte Formen von Sichtbarkeit sozialen Lebens wichtig. Hier wird -wie Martina Löw in "Soziologie der Städte" beschreibt- mit Stadtbildern operiert. So wird das städtische Leben einem Bilderregime unterworfen. So basieren die Bilder, die wir von Städten erhalten, auf Inszenierungen, die radikale soziale Konsequenzen billigend in Kauf nehmen. Mehr noch, sie sind essentieller Bestandteil dieses Bilderregimes. Wenn beispielsweise Touristen die Rolle der Bevölkerung spielen, in städtischen Zonen, in denen beispielsweise, außer Servicekräften und fliegenden Händlern eigentlich kein Berliner zu sehen ist. Die Touristen werden dann auf den Bildern zur Repräsentation städtischen Lebens. Mit teilweise extrem agressiven Mitteln wird Unansehnliches von der Oberfläche entfernt, bzw. dazu gebracht, sich selbst zu entfernen:
Junkies werden mit klassischer Musik und ultraviolettem Licht von Bahnhöfen, Plätzen und Hauseingängen verscheucht. Nachtlager von Obdachlosen oder von Roma werden mitsamt der Habe ohne Vorwarnung in regelmässigen Abständen in den Müll entsorgt. Böden in Fussgängerzonen oder Bahnhofsvorplätzen werden gewässert, damit sich kein Obdachloser oder Bettler auf dem Boden niederlassen kann. Plätze werden mit ultra-hohen Frequenzen beschallt, um junge Leute (die im Gegensatz zu älteren Leuten diese Frequenz als unangenehm empfinden) fern zu halten. Willkürliche Verhaftungen und Platzverweise in den Innenstädten. Glatte Flächen werden mit Dornen versehen, um Skater am Befahren zu hindern. Räumung besetzter Häuser. Limiter für Bars mit Musik oder kleinere Konzertsäle. Immer härtere Auflagen für Kleinbetriebe. Anti-Grafitti Muster. Laternen in Anti-Climb Farbe. Videoüberwachung überall. Und so weiter und so weiter.
Dabei geht es aber nicht darum, das Leben aus den Innenstädten zu vertreiben. Die Innenstädte sollen mit bestimmten Formen repräsentativen und lukrativen Leben gefüllt werden, sauber, profitabel, planbar und vor allem: im Dienste eines Bildes, Hochglanz, hoch auflösend.
Über das Thema Stadtraum und Teilhabe wird auch der dänische Künstler Kenneth Balfelt sprechen, am Donnerstag, d. 4. Oktober ist er zu Gast bei Gitte Bohr. Club für Kunst und politisches Denken. Mehr Information hier.