SINE GREY LP

SINE GREY LP

Sonntagsmatinee mit performing sounds, visuals, and texts von und mit Silva Reichwein,  Martin Lorenz und Karl-Stéphan Bouthillette für SINE GREY und Luc Döbereiner mit Martin Lorenz für NOR

SINE GREY LP
Silva Reichwein  Martin Lorenz  Karl-Stéphan Bouthillette

…getting untitled   

Bild-Seite (Siebdruck auf Vinyl) Konzept:
Silva Reichwein benutzt eine bestehende Zeichnung, eine sog. Partitur, die Anleitung für die Entstehung ihrer kleinformatigen Bilderserie ist, den LocalsNonLocalities. Silva Reichweins LocalsNonLocalities-Notation erhält nicht nur durch die Übertragung via Siebdruckverfahren auf die LP einen Mittelpunkt, der zu einer optischen Leerstelle wird, sondern transformiert sich auch zu einem erweiterten, sich quasi auflösenden Medium, einem notation, getting untitled.
Die drehende LP löst die quadratische Zeichnung auf. Deren räumliche Stabilität weicht einer durch die drehende LP initiierten Verwischung, die zu einer neuen Qualität von (Bild)Raum –
zu einer Qualität des „Titellosen“ („untitled“) wird.

Rotation, Ebene

Audio-Seite: Klangarbeit auf Vinyl, Konzept:
Martin Lorenz‘ Komposition Rotation, Ebene leitet sämtliche harmonische und rhythmische Strukturen aus dem Zahlenverhältnis der gängigen Umlaufgeschwindigkeiten von Schallplatten, 33 1/3 und 45 Umdrehungen pro Minute ab. Als Klangmaterial werden Sinustöne verwendet, Schwingungen ohne Obertöne. Diese Archetypen der elektronischen Musik erlauben es in ihrer Absolutheit, die Musik sehr abstrakt zu denken, ohne Klangfarbe, nur mit Tonhöhe.
Durch die Addition verschiedener Sinusschwingungen bzw. Tonhöhen, die immer im Verhältnis 33 1/3 zu 45 stehen, wird unabhängig von der Abspielgeschwindigkeit der LP das akustische Resultat identisch bleiben. Lorenz leitet durch die Technik des Plattenspielers ein numerisches System ab, das die Komposition direkt beeinflusst und den entstehenden Hörraum von der Zeit entkoppelt. Er wird zu einer kompositorischen Vision eines Moments von Ewigkeit.

Unraveling the List

Covertext, Konzept:
In den vergangenen fünf Jahren konzentrierte sich die akademische Forschung von Karl-Stéphan Bouthillette auf die Erforschung der Bedeutung der metaphysischen Listenerstellung als bestimmendes Merkmal der „spirituellen Übungen“ in den wissensorientierten Praktiken des Yoga in Südasien. Da ich der Meinung bin, dass diese taxonomischen Übungen auch heute noch von Bedeutung sind, insbesondere angesichts der extrem polarisierten und brisanten Meinungswelt, in der wir uns wieder befinden, reflektiert meine Forschung die Praxis der Taxonomie im Allgemeinen als eine universelle Gewohnheit, die das Studium der Human- und Naturwissenschaften bestimmt, mit besonderem Augenmerk auf religiöser Literatur, Philosophie und Psychologie, und zeigt, wie wichtig Kategorisierung und Taxonomie für unser tägliches Leben sind. Diese Forschung bot den Hintergrund für die Überlegungen, die ich in dem LP-Umschlagtext auf ästhetischere Weise formuliert habe. Dieser Text lädt das Publikum dazu ein, die Rolle von Listen und Taxonomie für die eigene Wahrnehmung der Realität zu überdenken. Für jeden, der sich fragt: „Was weiß ich?“, ist der bequemste und intuitivste Weg, diese Frage mit einer Liste zu beantworten. Aber gibt es einen Haken? Könnte sie eine Falle sein? Die Literatur der gnostischen Yogas legt nahe, dass wir in einer repräsentativen Dimension des Bewusstseins gefangen sind. Man kann sich diese große Illusion als eine fehlerhafte Taxonomie vorstellen, die unsere Beziehung zur Welt bestimmt, indem sie uns in einem fortwährenden Zustand der Knechtschaft gegenüber einer bestimmten Ordnung der Dinge hält, die trügerischerweise immanent zu sein scheint, natürlich und unmittelbar real zu sein scheint. Mit anderen Worten: Die Welt, die wir kennen und mit der wir interagieren, ist nichts als eine Liste.

NOR – Luc Döbereiner und Martin Lorenz

Für NOR steht weniger virtuoses Musizieren im Vordergrund als die Kopplung und Verschränkung von akustischen, instrumentalen, elektronischen und algorithmischen Prozessen, die gemeinsam navigieren. Das Verhältnis zwischen Musikern und Instrumenten, sowie die Formen des Zusammenspiels und die Art und Weise, wie Technologie diese Formen verändert und ermöglicht stehen dabei im Mittelpunkt. Performance bedeutet hier also wesentlich gemeinsames Wahrnehmen und Entscheiden, wobei Technologie und die Instrumente auch zu Handelnden werden indem sie Impulse setzen.