Oberfläche und Oberflächlichkeit, Teil III: Berlin Biennale
Oberfläche und Oberflächlichkeit, Teil III: Berlin Biennale
Meister Proper geht ins Deutschlandhaus:
Territorien, Kunst, Politik
Unter Kuratoren wird der Ausstellungsraum allzu oft aufgeführt als nihil privatium, das nach der Auffüllung mit Kunst als Ausdruck des Lebens ganz werden soll. Ohne die gefüllte Leere befänden sich die weißen Kuben, welche wir als Ausstellungsräume kennen (seltener: er-kennen), im Zustand wertfreier Leere. Obwohl die Institutionskritik diese Leere schon oft als trügerisch entlarvt hat, wiederfährt Kuratoren wie Ausstellungsbesuchern diese Schlussfolgerung auch heute noch allzuoft. So leicht es dem aufgeklärten Kuratorentypus fallen mag, die schwere Traglast aus Historie und Politik, Gesellschaft und Repräsentation eines Gebäudes wie dem Deutschlandhaus (einer der Ausstellungsorte der Berlin Biennale 7) zu benennen, so schwer ist es scheinbar zu vermeiden, die Oberflächen der Kunstinstitution allzu oberflächlich zu behandeln. Während in den Kunstwerken gerade mit Verneinung der Institution die Funktionalitäten der Kunstinstitution stechend der Geruch von Desinfektionsmittel hervortreten, müffelt aus dem Deutschlandhaus der altbraune Mief der Landsmannschaften entgegen.
In den Kunstwerken behauptet das Kuratorium die Entgrenzung der Kunst, in dem es das Politische in das Feld der Kunst verschiebt und sich somit den Umkehrschluss erlaubt, die Kunst sei nicht nur politisch sondern entfalte politische Wirkung außerhalb des institutionellen Rahmens. Das ist nicht unbedingt eine oberflächliche Betrachtung der Kunst, nur weil sie die inhärenten Projektionen der Kunst auf die Gesellschaft doppelt. Es wird, könnte man nicht ohne Sarkasmus anmerken, der Kunst in gewisser Weise gerecht. Wohlgemerkt aber ist dies eine recht oberflächliche Betrachtung der Gesellschaft und das politischen Feldes. Alles andere als zahlreich sind die veritablen Gesellschaftlichen Veränderungen, welche die Kunst zu erbringen vermocht hat. Und selbst dann: Für die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes können wir uns bei der Artist Placement Group bedanken. Das war zwar kaum im Sinne der Erfinder: Die Revolution frisst jedoch ihre Kinder. Im Bataille Monument lockt der Künstler das soziale Kunstwerk mit Bratwurst und Freibier herbei. Auch hierfür recht demokratischen Dank, gerade aus der Unterschicht.
Das Deutschlandhaus, leer, und doch voller geschichtlicher Patina. Zmijewski & Co. präsentieren das Schwarze unter den Fingernägeln des weissen Hauses, den Siff der ach so unbefleckten bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte, durch lustvolle Zurschaustellung. Als Polen dürfen sie das auch. Auf diesen verschmierten Bildträger setzt sich der Bund der Vertriebenen (Nachf.) um ein "Sichtbares Zeichen" zu setzen. In aller Kümmerlichkeit stellt sich hier ein Vorgeschmack dar, auf das, was sich im Deutschlandhaus in Form der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ausbreiten soll. Hier soll qua Opfermythologien eine territioriale Oberflächenbehandlung vermeintlich deutschen Bodens aufgetragen werden. Die politische Politur bewahrt das Dunkelbraun und schützt es vor Umwelteinflüssen, wie Licht. Der propere, generalstabsmäßige Glanz, so sauber, daß man sich drin spiegeln kann reflektiert hüben wie drüben die dummen Gesichter, die sich fragen: Sind wir nicht alle ein wenig Opfer? Solange alle anderen behaupten, Opfer zu sein, können Schlesier, Sudeten und Pommern es ja auch bedenkenlos tun, bis in die dritte Nachfolgegeneration. Der Lack, der alles gleichmacht, ist noch lange nicht ab.
Das Reenactment der Schlacht um Berlin -einmal in Berlin, einmal in Polen aufgeführt- im Guido Knopp-Style in einer Doppelprojektion im Deutschlandhaus gezeigt, steht als symbolische Juxtaposition immer willkürlicher erscheinender Rollenverteilung von Täter und Opfer. Diese überaus oberflächliche Betachtungsweise, die alle zu Opfern oder alle zu Tätern macht, annuliert mit dem Lösungsmittel Empathie-Surrogat die Schuldfrage und lässt diese Emulsion eine spiegelblanke Oberfläche bilden, auf der Erika Steinbach als Eisprinzessin Pirhouetten dreht, während die Jury jenseits der Bande irgendwelche Noten vergibt und das Publikum gelangweilt in die Hände klatscht.
Gitte Bohr